- 20 -Kim, Jin Hyun: Musikwissenschaft in der Postmoderne 
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ihre Zugangsweise, bzw. das Musikhören dar: Die Zugangsweise der Gebrauchsmusik wird durch das Vollziehen der Musik charakterisiert, wobei das Hören bloß eine untergeordnete, mitgehende Rolle spielt.2
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Vgl. Besseler, H., Grundfragen des musikalischen Hörens, in: Dopheide, B. (Hrsg.), Musikhören, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1975, S. 65.
Der Grundcharakter der Gebrauchsmusik wird Besseler zufolge als umgangsmäßig bezeichnet.3
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Vgl. ebd., S. 63.
Umgangsmäßige Musik wird beim Mitvollzug einer Liturgie, eines Gebets oder eines Tanzes durch das bloße Mithören – oder Nebenbeihören – wahrgenommen. Im Gegensatz dazu wird in der gegenständlichen Musik außer dem Formalen nur das Klangliche erfasst.4
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Vgl. ebd., S. 65.
Die Zugangsweise der gegenständlichen Musik – der so genannten autonomen Musik – ist nach Besseler durch ein eigenständiges Hören gekennzeichnet.5
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Vgl. ebd., S. 63, 69–70.
Beim eigenständigen Hören besteht zwischen Musik und Hörer ein Abstand. Es handelt sich dabei nicht mehr um das Mitvollziehen, sondern um das Nachvollziehen.6
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Vgl. ebd., S. 69.
Die gegenständliche Musik setzt den Anspruch voraus, um ihrer selbst willen gehört zu werden. Demnach unterliegt dem eigenständigen Hören die allgemeine Erwartung eines ästhetischen Genießens.7
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Ebd., S. 70.

Die autonome Musik, d. h. die Musik, die dazu da ist, um ihrer selbst willen gehört zu werden, wird im Zusammenhang mit der in der Neuzeit entstandenen Ästhetik zur Kunstmusik als Gegenstand der sinnlichen Erkenntnis erhoben. Seit der Begründung der Ästhetik als eine Wissenschaft des Schönen und der Kunst8

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Als Begründer der Ästhetik als eine Wissenschaft gilt Alexander Gottfried Baumgarten (1714–1762). Die Ästhetik basiert auf der zwar klaren aber nicht deutlichen Erkenntnis im Gegensatz zu der klaren und deutlichen Erkenntnis Decartes’. Nach Baumgarten gehört die Erkenntnis, die zwar klar aber nicht deutlich ist, zur Sinnlichen.
erreicht der Gedanke der Ästhetik bei Kant das interesselose Urteil über den ästhetischen Gegenstand.9
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Vgl. Kant, I., Kritik der Urteilskraft, Erster Teil. Erstes Buch. Analytik des Schönen §1 – §5, Hamburg: Meiner, 1990, S. 39–48.
Der Begriff der Kunstmusik steht im engen Zusammenhang mit dieser Theorie der Interesselosigkeit, in der die ästhetischen Urteile an sich gar kein Interesse der Subjekte begründen. Die Kunstmusik gilt der autonomen Musik, die sich von der mit dem Interesse der Subjekte verbundenen Gebrauchsfunktion emanzipiert hat und dadurch die Gegenständlichkeit des ästhetischen Urteils erhält.

Die im öffentlichen Konzert aufgeführten Werke richten sich nicht auf einen bestimmten Zweck, sondern auf die Allgemeinmenschlichkeit nach der Logik der Kunst an sich. Dadurch rückt der Begriff der Kreativität des Künstlers in den Vordergrund. Damit ändert sich auch die Funktion des Publikums: Es handelt sich nun um Personen, die die Musik genießen und konsumieren. Durch die Verbreitung des öffentlichen Konzerts entsteht der Begriff »Kenner und Liebhaber« unter den Hörern. Diese Kennerschaft begründet eine Niveaugleichheit zwischen Künstler und Hörer. Somit bilden die Kenner eine geschlossene Gemeinde, welche die Arbeit des Künstlers versteht und beurteilt. Das Bildungsbürgertum als die Gemeinde der


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