Kenner empfindet die
Kunstmusik – die Oper, die Kammermusik, die Symphonie etc. – als die ihm
angemessene Kultur.
Durch das bürgerliche Bewusstsein ergibt sich die Unterscheidung der Kunst- und Trivialmusik: Gegenüber der zur Tonkunst erhobenen Musik, die im bürgerlichen Konzertsaal stattfindet, verfällt die so genannte Unterhaltungsmusik in dieser Zeit, die zum Repertoire einer Hofkapelle oder eines Collegium musicum gehört, zwangsläufig der Trivialität, da sie einen außermusikalischen Zweck erfüllt. Die Trivialmusik, die in Tanzsälen, Festhallen, Kaffeehäusern und Gartenlokalen stattfindet, benutzt die Elemente der Volksmusik und konkretisiert die Inhalte der gesellschaftlichen Ideen wie z. B. Brüderlichkeit, Freiheit und Gleichheit auf dem Boden der sozialen Realitäten. Durch die Verbreitung der Trivialmusik bildet die Musik der Unterhaltungsfunktion eine wichtige Kultur neben der von Kennerschaft und Bildung getragenen Musik.10
Die Unterscheidung der Kunst- und Trivialmusik bedeutet jedoch in der frühkapitalistischen bürgerlichen Gesellschaft keine Polarisierung der beiden. In der Zeit des öffentlichen Konzerts kommt hinzu, dass sich inhaltliche wie formale Aspekte trivialer und künstlerischer Musik – wie Adorno beispielsweise Mozarts »Zauberflöte« genannt hat – versöhnen: E- und U-Musik gehen ineinander über.11
3.2. Legitimierung der autonomen Kunst: die Autonomieästhetik in der Ästhetischen ModerneDas Bewusstsein, dass die autonome Kunstmusik mit dem Slogan »Autonomie der Musik« von der funktionalen, populären Musik radikal unterschieden und hochrangig bewertet wird, kommt durch die Strömung der ästhetischen Moderne zustande, die entgegen der bürgerlichen kapitalistischen Moderne mittels der Kunst die Idee der Moderne – die Selbstkritik – auszudrücken vermag. In Deutschland fängt diese Strömung mit der Romantik an. Die Romantik entwickelt sich an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert zur dominierenden Strömung und Kunstform des gesamteuropäischen Denkens und Kulturlebens.13
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