- 22 -Kim, Jin Hyun: Musikwissenschaft in der Postmoderne 
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Elend anstatt humanerer Lebensformen hervorgerufen. Die Bestandteile traditionalistischer Weltbilder, die Kontext und Ergänzung bürgerlicher Ideologien dargestellt haben, werden immer weiter aufgelöst. Das moderne Subjekt leidet an der durchrationalisierten und funktionalisierten Welt der Modernität. Die Schriftsteller und die Dichter der deutschen Romantik artikulieren das unglückliche Lebensgefühl des modernen Individuums und drücken die Entfremdung des modernen Menschen aus.14
14
Vgl. Calinescu, M., Five Faces of Modernity, Durham: Duke University Press, 1987, S. 55.
Die Romantik, die sich durch einen Ausdruck der Entfremdungs- und Leidenserfahrungen des modernen Menschen auszeichnet, dient als Kritik an dem aufgeklärten Bürgertum. Das in der Romantik geprägte Ringen um die Identität des modernen Menschen richtet sich gegen den Rationalismus der Aufklärung und führt zur Innerlichkeit, in die Natur und die Geschichte, mit anderen Worten: zu der mystischen oder religiösen Hingabe, der Zuwendung zur Natur, dem Studium der griechischen Poesie und dem Wiederbeleben der Antike.15
15
Bimberg, S. Geschichte der Musikästhetik, in: Bimberg, S. / Kaden, W. / Lippold, E. / Mehner, K. / Schultze, W. S. (Hrsg.) Handbuch der Musikästhethik, 2. Aufl., Leipzig: VEB Deutscher Verlag für Musik, 1986, S. 372.

Dieses romantische Geschichtsbild wirkt sich auch auf die Musikanschauung aus. Robert Schumann formuliert zur Eröffnung des Jahrgangs 1835 seiner »Neuen Zeitschrift für Musik« wie folgt:

Unsere Gesinnung [...] ist diese: an die alte Zeit und ihre Werke mit allem Nachdruck zu erinnern, darauf aufmerksam zu machen, wie nur an so reinem Quelle neue Kunstschönheiten gekräftigt werden können – sodann, die letzte Vergangenheit, die nur auf Steigerung äußerlicher Virtuosität ausging, als eine unkünstlerische zu bekämpfen – endlich, eine neue poetische Zeit vorzubereiten, beschleunigen zu helfen.16

16
Wiora, W., Die Musik im Weltbild der deutschen Romantik, in: Salmen, W. (Hrsg.), Beiträge zur Geschichte der Musikanschauung im 19. Jahrhundert, Regensburg: Gustav Bosse, 1965, S. 20.

In der Romantik wird die Musik als Tonsprache begründet. Diese Begründung ist mit der geschichtlichen Musikanschauung und der Autonomieästhetik verbunden. Hans Heinrich Eggebrecht formuliert dies folgendermaßen:

Der Ton hat je nach seiner geschichtlichen Eigenart eine je eigenartige (wenn auch graduell zunehmende) Autonomie der Musik begründet. [...] Mit dem Begriff ›Tonsprache‹ ist nicht nur eine Wesensbestimmung der Musik überhaupt gegeben [...], sondern zugleich liegt in ihm das Ziel ihrer Geschichte beschlossen [...].17

17
Eggebrecht, H. H., Musik als Tonsprache, in: Archiv für Musikwissenschaft, Bd. 18, 1961, S. 79, zitiert nach Schneider, A., Die Geschichtlichkeit der Kunst und die außereuropäische Musik, in: Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft, Bd. 24/1, Bonn: Bouvier, 1979, S. 42.

Die in der Neuzeit begründete Idee der autonomen Musik, die von irgendeiner Funktion frei ist, ist in der Romantik insbesondere durch die Instrumentalmusik geprägt. Die Instrumentalmusik wird im Gegensatz zur Gebrauchsmusik – wie etwa Kirchenmusik – sowie zur Vokal-, Tanz- und Bühnenmusik – für zweckfrei


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