- 36 -Kim, Jin Hyun: Musikwissenschaft in der Postmoderne 
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4.5.  Die Romantik – Leopold von Ranke

Alles, was die Geschichtswissenschaft im 19. Jahrhundert geleistet hat, wird auf die Romantik zurückgeführt und als ihr geistiges Erbe betrachtet.21

21
Cassirer, E., Die Romantik und die Anfänge der kritischen Geschichtswissenschaft, in: ders., Erkenntnisproblem, Bd. 4, Stuttgart: W. Kohlhammer, 1957, S. 233–249, hier: S. 233.
Ernst Cassirer hob die Bedeutung der Romantik für die Geschichtswissenschaft hervor.

Der Historismus bildet sich in der Strömung der Romantik, in einer Situation des Traditionsverlusts aus. Deshalb liegt dem Historismus grundsätzlich ein Bedürfnis nach historischer Identität des modernen Menschen zugrunde. Der Historismus tritt jedoch gleichzeitig als die historische Kritik an die Stelle der bloßen Liebe zur Vergangenheit der Romantik, wie Cassirer betont:

Was ihr [der Romantik] diese [eine wirkliche] Fortdauer nicht nur im Bereich der Literatur, sondern in der allgemeinen Geistesgeschichte sichert, ist der Umstand, daß sie Erkenntnis wollte und daß sie ein neues Instrument der Erkenntnis geschaffen hat. Aus ihren Händen ging das Werkzeug der modernen historischen Kritik hervor, [...].22

22
Ebd., S. 234.

Leopold von Ranke ist an dieser Stelle ein wichtiger Vertreter des Historismus, der die gefühlsmäßige Romantik überwindet, um ein neues Wissenschaftsideal aufzustellen. Die romantische Kritik des Historismus richtet sich gegen die aufklärerische theoretische Basis »einer unveränderlichen, allgemeinen Menschennatur«. Die Aufklärung folgt dem naturwissenschaftlichen Wissenschaftsideal einer Rückführung des Veränderlichen auf das Unveränderliche und seine Gesetze.23

23
Schnädelbach, H. a. a. O., S. 28.
Ranke lehnt die in der Aufklärung des 18. Jahrhunderts gesuchte Teleologie der Geschichte ab. Für ihn stellt sich eine soziale und kollektive Identität nicht durch eine Identität des spekulativen Vernunftbegriffs her, sondern durch die Ausprägung historischer Individualitäten. Bei Ranke, der über die Kritik an der Geschichtsphilosophie hinausgehend die Frage nach »der historischen Wahrheit« stellt, handelt es sich um die Geschichte als Erfahrungswissenschaft. Er beschäftigt sich mit den Fakten und Methoden der Geschichte. Seine Problemstellung und Beschäftigung mit den theoretischen Grundlagen der Geschichtsschreibung bereiten den Boden für die Bestimmung der Geschichte als Wissenschaft.

4.6.  Gipfel des historischen Optimismus – Johann Gustav Droysen

Im Zusammenhang mit dem modernen Bildungsbürgertum wie beispielsweise in Preußen erreicht der Historismus den Gipfel des historischen Optimismus: d. h. den Glauben des Historismus an die geschichtliche Entwicklung. Die Verwissenschaftlichung des historischen Denkens entwickelt nun mithilfe der Methodenlehre ihr Erkenntnisprogramm. Dieses Erkenntnisprogramm des Historismus ist in Johann Gustav Droysens »Historik«24

24
Droysen, J. G., Historik. Vorlesungen über Enzyklopädie und Methodologie der Geschichte (hrsg. von P. Leyh), Stuttgart, 1977.
enthalten. Mit der in dieser Schrift behandelten Methodenlehre für die historische Forschung erhält der Historismus die eigene

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