- 37 -Kim, Jin Hyun: Musikwissenschaft in der Postmoderne 
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historische Wissenschaftskonzeption, in der sich die Geschichtswissenschaften von den Naturwissenschaften abgrenzen.

Bei Droysen wird der Begriff der Geschichte durch den Vergleich mit dem der Natur definiert. Natur und Geschichte sind für ihn die Grundbegriffe, unter denen der Mensch die Welt auffasst.25

25
Vgl. Droysen, J. G., Grundriss der Historik, München / Berlin: R. Oldenbourg, 1937, S. 325.
Ihm zufolge unterscheidet die menschliche Auffassung die Erscheinungen, die als das Nebeneinander des Seienden (dem Raum nach) scheinen, von denjenigen, die als das Nacheinander des Gewordenen (der Zeit nach) scheinen.26
26
Vgl. ebd., S. 326.
Die Erscheinungen, in denen sich ein Fortschreiten bzw. das Nacheinander zeigt, werden als Geschichte aufgefasst. Die Droysen’sche Abgrenzung der Geschichte von der Natur bezieht sich also nicht auf ontologische Bereiche, sondern erfolgt durch die menschliche Auffassungsweise. Sein Begriff der Geschichte umfasst daher zunächst nicht den Gegenstand als die Geschehnisse, sondern bedeutet das Wissen von diesem Gegenstand: Geschichte ist nicht die Summe der Geschehnisse, nicht aller Verlauf aller Dinge, sondern ein Wissen von dem Geschehenen und das so gewußte Geschehene.27
27
Vgl. ebd., S. 325.

In der gleichen Zeit findet die Debatte von den zeitgenössischen Historikern statt, die eine neue Methode der historischen Forschung gegen die hermeneutische Methode herausgefordert haben. Die Schrift von H. T. Buckle »History of civilization in England« (1859/61), die geschichtliches Wissen analog zu den Naturwissenschaften formuliert, bildet einen Leitfaden. In der Rezension dieser Schrift betont Droysen gegenüber Buckle den sittlichen Charakter der menschlichen Welt, indem er die Geschichte auf die Menschenwelt in ihrem Fortschreiten einschränkt. Die sittliche, menschliche Welt meint die Bestimmtheit menschlichen Handelns durch Absichten und Deutungen. Die sittliche Welt ist nach Droysen der naturwissenschaftlichen Methode nicht zugänglich. Sie ist also das Gebiet der historischen Forschung. Diese historische, sittliche Welt lässt sich ihm zufolge nicht in der Art der Naturwissenschaft erklären, sondern verstehen.

Die historische Forschung will nicht erklären, d. h. aus dem Früheren das Spätere, aus Gesetzen die Erscheinungen als notwendig, als bloße Wirkungen und Entwicklungen ableiten. Läge die bloße Notwendigkeit des Späteren in dem Früheren, so wäre statt der sittlichen Welt ein Analogon der ewigen Materie und des Stoffwechsels. Wäre das geschichtliche Leben nur Wiedererzeugung des immer Gleichen, wäre es ohne Freiheit und Verantwortlichkeit, ohne sittlichen Gehalt, nur organischer Natur.28

28
Ebd., S. 339.

Die allgemeine Charakteristik der historischen Methode als forschendes Verstehen29

29
Vgl. ebd., S. 328.
geht bei Droysen in die Methodik des historischen Forschens über. Er nennt als drei wichtige Aspekte der wissenschaftlichen Methodik Heuristik, Kritik und Interpretation: 1. Heuristik ist die Lehre von der Beschaffung des historischen Materials zur historischen Arbeit;30
30
Vgl. ebd., S. 332.
2. Kritik ist die Lehre von der Bestimmung und

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