- 4 -Kim, Jin Hyun: Musikwissenschaft in der Postmoderne 
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auf der mit der Aufklärung verbundenen Moderne (im Folgenden: »Aufklärungs-Moderne«), da sie der Wissenschaftscharakterisierung dient. Zweitens werden die Forschungsgegenstände der Musikwissenschaft im engen Zusammenhang mit der ästhetisch-künstlerischen Moderne bestimmt (im Folgenden: »ästhetische Moderne«), da die Auffassung der Musik als autonome Kunst und geschichtliches Phänomen ein Produkt der Romantik ist. Die vorliegende Arbeit, die eine zeitgemäße Musikwissenschaft thematisiert, bedarf einer Untersuchung der wissenschaftlichen sowie ästhetischen Idee in der Moderne, welche bis in die gegenwärtige Musikwissenschaft hinein ihre Einflüsse zeigt. Dabei werden die oben erwähnten diversen Begriffe der Moderne einbezogen.

Die Debatte um die Kritik an der Moderne, die zunächst von den Modernisten durchgeführt wird, führt zum postmodernen Diskurs in der Literatur, der Architektur, der Philosophie und in anderen Bereichen. Der Begriff der Postmoderne, der in Beziehung zu demjenigen der Moderne steht, bezeichnet in erster Linie ein Anwachsen der Skepsis und der Vorbehalte gegenüber der Moderne. Die postmoderne Kritik unterscheidet sich jedoch von der modernistischen Kritik an der Moderne insofern, als sie sich von der Moderne bzw. von den Grundprinzipien der Moderne verabschiedet. Meines Erachtens erweist sich der Begriff der Postmoderne, der von Jean François Lyotard in die Philosophie eingeführt wurde, als anschlussfähig zur Fragestellung einer gegenwärtigen Musikwissenschaft, da die Postmoderne nach Lyotard im Wesentlichen nichts anderes als Wissenschaftskritik impliziert. Lyotard fasst den Gedanken der Aufklärung als einen Metadiskurs auf, der im Sinne von Herrschaft legitimierenden Erzählungen der Moderne, den großen Erzählungen, dient. Das Prinzip der Moderne ist daher durch ein Legitimationsprinzip gekennzeichnet.

Die Postmoderne, mit der Lyotard nicht eine neue Epoche, sondern einen »Geisteszustand« meint, beginnt für ihn gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit einem Krisenbewusstsein in Form der Delegitimation und Infragestellung der Grundprinzipien der Moderne. Die Legitimationskrise der Moderne äußert sich in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen wie Wissenschaft, Kunst, Politik und Ökonomie.

Das, was die Krise der Grundlagen in den exakten Wissenschaften und der Erkenntnistheorie genannt wird, die Avantgarde in den Künsten und der Literatur, die häufig katastrophalen Versuche, rechte oder linke Alternativen zu liberalen Gemeinwesen zu schaffen, ebenso wie das Versagen solcher Unternehmen, die soziale und ökonomische Krise (1920–1950), der die Reorganisation der Gemeinwesen auf internationaler Ebene nach dem Zweiten Weltkrieg folgte – all dies kann der Postmoderne zugeschrieben werden, freilich nur in der Hinsicht, daß sie viele bereits in der Moderne implizite oder latent vorhandene Fragen nunmehr in den Vordergrund rückt.6

6
Lyotard, J. F., Eine post-moderne Fabel über die Postmoderne oder: In der Megapolis. in: Weimann, R. / Gumbrecht, H. U. (Hrsg.), Postmoderne – globale Differenz. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1992, S. 294–295.

In seiner bedeutenden Studie »Das postmoderne Wissen« (1979), in der Lyotard den Statutwechsel des Wissens in der Ideengeschichte betrachtet, fasst er das allgemeine Ziel einer Transformation des »modernen« Vernunftprinzips in ein »nachmodernes« Denken in der poststrukturalistischen Theorie als ein reales, historisches


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