- 5 -Kim, Jin Hyun: Musikwissenschaft in der Postmoderne 
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Phänomen auf. Er behauptet für die Gegenwart einen Prozess der Befreiung von rationalen Denkprinzipien und damit die Transformation in eine Wissensform der »Postmoderne«. Lyotard zufolge ist das postmoderne Wissen kein metasprachliches Spiel, mit dem andere Sprachspiele bewertet werden können. In der Postmoderne, die sich von der Idee der Universalität verabschiedet, sieht er eine neue Möglichkeit für ein heterogenes Denken.

Die postmoderne Kritik impliziert mithin nichts anderes als die Infragestellung des Legitimationsprinzips der Moderne. In diesem Sinne stellt die postmoderne Kritik die Grundlage für die vorliegende Arbeit dar, die eine zeitgemäße Musikwissenschaft diskutiert: Es handelt sich um das Legitimationsproblem von Musikwissenschaft.

1.2.  Das Legitimationsproblem der Musikwissenschaft

Einen Ausgangspunkt der Infragestellung der Legitimationsproblematik von Musikwissenschaft bildet das verbreitete Theorem der Dichotomie der ernsten Musik und der Unterhaltungsmusik, welches als Legitimationsmechanismus für die europäische Kunstmusik funktioniert, die den Gegenstand der Historischen Musikwissenschaft darstellt. Dieses Dichotomietheorem der E- und U-Musik gilt in der institutionalisierten Musikforschung auch für die Diskussionen über die gegenwärtigen vielfältigen Musikphänomene, welche meines Erachtens die Aufhebung der E- und U-Musik nicht nur stilistisch, sondern auch tatsächlich mit dem Zerfall des ästhetischen Bewusstseins, der Autonomie der Kunst implizieren. Ideengeschichtlich betrachtet, greift das Dichotomietheorem auf die ästhetische Moderne zurück, die mit dem Slogan ›Kunst um ihrer selbst willen‹ die Autonomie der Kunst gegenüber dem bürgerlichen, kapitalistischen Leben hervorgebracht und damit die autonome von der funktionalen, unterhaltenden Musik unterschieden und als begriffslose Erkenntnis mit Wahrheitsanspruch zum Erkenntnisinstrument erhoben hat. Das Dichotomietheorem der E- und U-Musik wird dabei als ästhetische Kategorie etabliert.

Die aus der Moderne entspringende Autonomieästhetik dient somit auf der einen Seite der Legitimation der Herrschaft der europäischen Kunstmusik. Auf der anderen Seite wird die Legitimation der europäischen Kunstmusik durch das mit dem ästhetischen Bewusstsein gleichzeitig geprägte, historische Bewusstsein begründet: Im Umfeld des Historismus, der auf der Suche nach der Identität des europäischen modernen Menschen die Entstehung der Geschichtswissenschaften bewirkt hat, werden die Musikphänomene als Sinn gebende Kultur durch ihre Geschichtlichkeit aufgefasst. Dabei wird die europäische Kunstmusik in der Moderne als geschichtlich höchst entwickelte Form der Musik begriffen. Somit bilden die Ästhetik und die Geschichtlichkeit in der Moderne das Instrumentarium der Legitimation der europäischen, später von Adorno als ernste Musik (E-Musik) bezeichneten Kunstmusik.7

7
Adorno, T. W., Einleitung in die Musiksoziologie, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1962.

Die Historische Musikwissenschaft, die als Endprodukt des Umfelds vom Historismus anzusehen ist, stützt sich infolgedessen auf das moderne ästhetische und historische


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