- 49 -Kim, Jin Hyun: Musikwissenschaft in der Postmoderne 
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Die Geschichtlichkeit wird somit nicht nur als eine tragende Voraussetzung musikalischer Hervorbringung, sondern als deren Wesen und Substanz verstanden.24
24
Dahlhaus, C., Grundlagen der Musikgeschichte, Köln: Hans Gerig, 1977, S. 102.

5.3.  Die Legitimationsfunktion der Geschichte und der Ästhetik

Die moderne ästhetische und historische Musikauffassung, die ideengeschichtlich die Grundlage der im 19. Jahrhundert als Geschichtswissenschaft institutionalisierten historischen Musikforschung bildet, erweist sich als eine der großen Erzählungen. Die Ästhetik als eine Achse der Musikgeschichtsschreibung, welche nach Dahlhaus für die Geschichte der Musik notwendig erscheint, impliziert für ihn nichts anderes als die moderne ästhetische Auffassung – die Musik als Tonkunst. Damit setzt er die Allgemeingültigkeit der europäischen neuzeitlichen Auffassung der Musik als Tonkunst für die Musikgeschichtsschreibung voraus. Das sich auf die bestimmte Konnotation »Tonkunst« stützende, aber einen Anspruch auf die Allgemeingültigkeit erhebende Wort »Musik«, für das im außereuropäischen Raum häufig keine passenden Denotate gefunden werden, bestimmt ausschließlich die europäische Kunstmusik als Forschungsgegenstand der Musikgeschichtsschreibung.

Die Geschichtlichkeit, die eine andere Achse der Musikgeschichtsschreibung bildet, greift auch auf die Idee der Aufklärungs-Moderne im 18. Jahrhundert sowie des Historismus im 19. Jahrhundert zurück. Insbesondere im Umfeld des Historismus, das in Kapitel 4 der vorliegenden Arbeit eingehend behandelt wurde, sind die allgemeinen Geschichtswissenschaften sowie die Kunst- und Musikgeschichte entstanden. So wie die Geschichtswissenschaft im Dienste der modernen Gesellschaft, insbesondere in Bezug auf die Suche nach der Identität des europäischen modernen Menschen gefordert ist, sei ebenso die Kunstgeschichte in Anbetracht der modernen Kunst genötigt, eine Theorie der Kunst zu entwickeln, um sich überhaupt noch als Wissenschaft ausweisen zu können.25

25
Koselleck, R., Wozu noch Historie? In: Historische Zeitschrift 212, 1971, S. 2, zitiert nach Schneider, A., Die Geschichtlichkeit der Kunst und die außereuropäische Musik, in: Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft, Bd. 24/1, 1979, S. 16.
Die europäische Moderne steht somit im Mittelpunkt, wenn die Sachverhalte durch die Geschichtlichkeit aufgefasst werden.

In der geschichtlichen Musikforschung gilt demnach die durch die ästhetische Moderne zur schönen Kunst erhobene Musik, die gleichgesetzt wird mit der europäischen Kunstmusik, als entwicklungsgeschichtlicher Gipfelpunkt. Vor diesem Hintergrund stützt sich die geschichtliche Musikforschung auf die Geschichtsphilosophie, mit der die Musikgeschichte als ein die autonome Musik entwickelnder Prozess beschrieben wird. Die auf der modernen Geschichtsphilosophie basierende Musikgeschichtsschreibung umfasst demnach ausschließlich die europäische Kunstmusik, welcher der geschichtliche Entwicklungsprozess der Musik zugewiesen wird. Die wertende Interpretation der Historiker schreibt der autonomen Ästhetik und der Geschichtlichkeit die Funktion der Metaerzählungen zu, mit denen die verschiedenen Musikphänomene bewertet werden.


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