- 57 -Kim, Jin Hyun: Musikwissenschaft in der Postmoderne 
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6.2.  Das postmoderne Wissen

Die Krise des modernen wissenschaftlichen Wissens, die sich aus der inneren Erosion des Legitimationsprinzips des Wissens ergibt, ist nach Lyotard die »condition postmoderne«. Das postmoderne Wissen kommt durch den Entwicklungsprozess der Wissenschaft zustande, der die moderne Rationalität der Wissenschaft und die Suche nach der Wahrheit der Wissenschaft zerbricht. Lyotard erwähnt zwei Phänomene vom Prozess der Wissenschaft, welche zum Zerfall des Prinzips der Moderne führen: 1. Das wissenschaftliche Aussagen konstituierende Gültigkeitskriterium hat sich durch die zunehmende Verbindung der Wissenschaft mit der Technik von der Idee der Wahrheit zur Idee der Effizienz verlagert. Die Wissenschaft ist demnach zur Produktivkraft geworden. 2. Die elementaren Wissenschaften, vor allem Mathematik und Naturwissenschaft beschränken den Anspruch ihrer Gültigkeit auf das streng durch ihre Paradigmen konstituierte Terrain.

Hinsichtlich Punkt 1 ist festzustellen, dass die Technologisierung der Wissenschaft das beherrschende Moment der gegenwärtigen Wissenschaftsentwicklung ist. Durch die Verbindung der Technik mit dem Kapital werden wissenschaftliche Informationen zur Produktivkraft. Der Fortschritt des Wissens wird der Technologie untergeordnet. Im postmodernen Wissen geht es infolgedessen – so Lyotard – um die Verfügung über die Technik: Es handelt sich um Produktion, Speicherung, Zugänglichkeit und Operationalität von Information. Die »Erzählungen« der idealistischen oder humanistischen Legitimierung werden gestoppt. Das postmoderne Wissen, dessen Zweck nicht mehr in der Realisierung der Idee oder in der Emanzipation des Menschen liegt, hat Lyotrad zufolge ein anderes »Sprachspiel«,8

8
Siehe Kap. 6.3.
bei dem es nicht um Wahrheit, sondern um Performativität, d. h. das bessere Verhältnis von Input/Output,9
9
Lyotard, J. F., a. a. O., S. 135.
geht. Die Legitimierung durch die Performativität intendiert bei Lyotard nicht die Rede vom Ende des Wissens, denn die Enzyklopädie von morgen, das sind die Datenbanken.10
10
Ebd., S. 151.

Nun ist es erlaubt, sich die Welt des postmodernen Wissens als von einem Spiel vollständiger Information geleitet vorzustellen, in dem Sinne, daß hier die Daten im Prinzip allen Experten zugänglich sind: Es gibt kein wissenschaftliches Geheimnis. Bei gleicher Kompetenz hängt der Zuwachs an Performativität – in der Produktion des Wissens und nicht mehr in seinem Erwerb – also letztlich von dieser »Phantasie« (»imagination«) ab, die entweder erlaubt, einen neuen Spielzug durchzuführen, oder die Regeln des Spiels zu verändern.11

11
Ebd., S. 152.

Die neuen Regeln von Sprachspielen werden andererseits, was Punkt 2 anbelangt, in der Entwicklung der elementaren Wissenschaften seit dem Ende des 19. Jahrhunderts verändert. In einer ersten Phase wird der Abschied vom Ganzen vollzogen. Dafür führt Lyotard Gödels Unvollständigkeitssatz an. Gödel hat – so Lyotard – die Existenz einer Behauptung, die im System weder beweisbar noch widerlegbar ist, im arithmetischen System begründet; was zur Folge hat, dass das arithmetische System


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