- 58 -Kim, Jin Hyun: Musikwissenschaft in der Postmoderne 
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der Bedingung der Vollständigkeit nicht genügt.12
12
Ebd., S. 125–126.
Mit diesem für die Wissenschaften grundlegenden Theorem werden Totalitätsintentionen des Wissens gebrochen und Wahrheitsansprüche wissenschaftlicher Aussagen in ihrer Reichweite begrenzt.

Lyotard zufolge stellen die wissenschaftlichen Theorien der jüngeren Vergangenheit wie Unentscheidbarkeits-, Chaos-, Katastrophen- und Quantentheorie sowie die Theorie stochastischer Signale den Grundbestand postmodernen Wissens dar, in dem Determinismus und Kontinuität – Grundkategorien traditioneller Naturwissenschaft – nur noch in begrenzten Bereichen gelten und ein eindeutiger Wahrheitswert einer Aussage nicht mehr bestimmbar und mit Mitteln des Systems nicht mehr begründbar ist.

In ihrem Interesse für die Unentscheidbaren, für die Grenzen der Präzision der Kontrolle, die Quanten, die Konflikte unvollständiger Information, die »Frakta«, die Katastrophen und pragmatischen Paradoxa entwirft die postmoderne Wissenschaft die Theorie ihrer eigenen Evolution als diskontinuierlich, katastrophisch, nicht zu berichten, paradox. Sie verändert den Sinn des Wortes Wissen, und sie sagt, wie diese Veränderung stattfinden kann. Sie bringt nicht Bekanntes, sondern Unbekanntes hervor. Und sie legt ein Legitimationsmodell nahe, das keineswegs das der besten Performanz ist, sondern der als Paralogie verstandenen Differenz.13

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Ebd., S. 172–173.

Forschungen werden nicht unter der Vorherrschaft eines einzigen Paradigmas gemacht. Die neuen Regeln des wissenschaftlichen Sprachspiels, die ein neues Forschungsfeld abgrenzen, haben immer lokale Auswirkungen. Daher richtet sich der Anspruch der Wissenschaft nicht auf die universale Gültigkeit, sondern nur auf eine Gültigkeit im Rahmen eines Paradigmas. Infolgedessen bricht der traditionelle Anspruch der Wissenschaft auf die Wahrheit einerseits durch die Technologisierung der Wissenschaft, andererseits durch die relativistische Wahrheitsauffassung der Forscher zusammen.

In der impliziten Dynamik der Wissenschaftsentwicklung sieht Lyotard eine utopische Alternative: Denn mit der Sensibilität für die Relativität und Begrenztheit von theoretischen Aussagen wird die Möglichkeit eröffnet, die Heterogenität der Sprachspiele zu erkennen.

Das postmoderne Wissen [...] verfeinert unsere Sensibilität für die Unterschiede und verstärkt unsere Fähigkeit, das Inkommensurable zu ertragen. Es selbst findet seinen Grund nicht in der Übereinstimmung der Experten, sondern in der Paralogie der Erfinder.14

14
Ebd., S. 16.


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