- 59 -Kim, Jin Hyun: Musikwissenschaft in der Postmoderne 
  Erste Seite (i) Vorherige Seite (58)Nächste Seite (60) Letzte Seite (90)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 

6.3.  Die sprachtheoretische Methode bei Lyotard

Lyotards Betrachtung der Legitimierungserzählungen des Wissens, deren Bestand und Zerfall auf den Spielregeln des Sprachspiels beruhen, liegt eine sprachtheoretische Methode zugrunde. Zentraler Begriff sind dabei die so genannten Sprachspiele. Lyotard hat diesen Terminus vom späten Wittgenstein übernommen und zu einem entscheidenden Ausgangspunkt seiner Überlegungen gemacht. Danach ereignet sich alles Kulturelle und Soziale auf der Ebene von Sprachspielen, und zwar ausschließlich in antagonistischer Weise, also durch den Wettkampf, keineswegs durch Prinzipien einer Vernunft geleitet, so dass gewissermaßen jede Aussage zu einem Spielzug wird.15

15
Vgl. ebd., S. 40–41.

Das Sprachspiel bezeichnet verschiedene Arten von Diskursen wie beispielsweise den emotionalen, rhetorischen, juristischen usw. Diskurs. Diese verschiedenen Sprachspiele besitzen jeweils immanente Regelsysteme. Diese sind mangels einer verbindenden Metasprache inkommensurabel. Kommt es zwischen zwei Sprachspielen zu einem Konflikt, so ist dies kein Streit, sondern ein Widerstreit, der nicht lösbar ist. Wo man dies dennoch versucht, handelt man immer nur nach den Regeln des einen Bereiches, und fügt damit dem anderen ein fundamentales Unrecht zu.

Die Pragmatik bildet statt Syntax und Semantik Lyotards Ausgangspunkt für sein zentrales Interesse an der Sprachtheorie. Das wissenschaftliche Wissen besteht in einer Kompetenz, die unter Ausschluss anderer nur eine bestimmte Art von Aussagen – nämlich kognitive Aussagen – umfasst. Im Gegensatz dazu handelt es sich im verschiedene Aussagen hervorbringenden Wissen um eine Kompetenz, die – so Lyotard – über die Bestimmung und Anwendung des einzigen Wahrheitskriteriums hinausgeht und sich auf jene der Kriterien von Effizienz (technische Qualifikation), Gerechtigkeit und/oder Glück (ethische Wahrheit), klanglicher und chromatischer Schönheit (auditive und visuelle Sensibilität) usw. ausdehnt.16

16
Ebd., S. 64–65.

Zum Beispiel gestattet die Form des narrativen Wissens im Gegensatz zu entwickelten Formen des Wissensdiskurses eine Pluralität an Sprachspielen: Sowohl denotative, als auch deontische und interrogative Aussagen fügen sich in die Erzählung. Die für das narrative Wissen relevanten Sprechakte werden nicht nur vom Sender, sondern auch vom Empfänger und ebenso vom Referent, von dem die Rede ist, ausgeführt. Daher ist das, was mit den Erzählungen überliefert wird, die Gruppe pragmatischer Regeln, die das soziale Band ausmachen.17

17
Ebd., S. 72.
Das narrative Wissen beglaubigt sich selbst durch die Pragmatik seiner Übermittlung, ohne auf Argumentation und Beweisführung zurückzugreifen. Die Erzählungen werden von Anbeginn an legitimiert, da sie – so Lyotard – bestimmen, was in der Kultur das Recht hat, gesagt und gemacht zu werden, und da sie selbst einen Teil von ihr ausmachen, [. . . ].18
18
Ebd., S. 75.

Das wissenschaftliche Wissen fordert dagegen hinsichtlich seiner Pragmatik die Absonderung eines Sprachspiels, des denotativen, und den Ausschluss der anderen. Das Kriterium der Annehmbarkeit einer Aussage ist ihr Wahrheitswert. Für die Annahme einer wissenschaftlichen Aussage sind Beweisführung und Widerlegbarkeit


Erste Seite (i) Vorherige Seite (58)Nächste Seite (60) Letzte Seite (90)      Suchen  Nur aktuelle Seite durchsuchen Gesamtes Dokument durchsuchen     Aktuelle Seite drucken Hilfe 
- 59 -Kim, Jin Hyun: Musikwissenschaft in der Postmoderne