- 70 -Kim, Jin Hyun: Musikwissenschaft in der Postmoderne 
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Art von Beziehung oder Assoziation zu vorhandener Musik zu vermeiden ist30
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Budde, E., Der Pluralismus der Moderne und/oder die Postmoderne, in: Kolleritsch, O. (Hrsg.), Wiederaneignung und Neubestimmung. Der Fall »Postmoderne« in der Musik, Graz: Steiermärkische Landesdruckerei, 1993, S. 55.
– und dies entspricht dem Programm in der Architektur der Moderne. Dabei sollte wertfreies, neutrales Material, das von allen seinen tradierten Implikationen gereinigt ist, den Ausgangspunkt der Kompositionen bilden, die grundsätzlich keinen Mitteilungs- oder Sprachcharakter aufweisen.31
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Ebd., S. 55–56.

Die Situation der Neuen Musik ändert sich jedoch mit Beginn der siebziger Jahre grundlegend. Nach Wulf Konold geht es nicht mehr, wie zuvor, darum, neue Materialien, neue Kombinationsmöglichkeiten, neue Spieltechniken, neue Instrumente zu verwenden, [. . . ]; In einer Situation, in der der Reiz des Neuen sich erledigt hat, in der es nicht mehr genügt, lediglich neues Material zu exponieren, muß sich die Legitimation des Kunstwerkes von anderen Überlegungen herleiten.32

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Konold, W., Die Musiker der siebziger Jahre, in: Musica 1978, S. 10, zitiert nach Konold, W., Komponieren in der ›Postmoderne‹, in: Hindemith-Jahrbuch Annales Hindemith 1981/10, S. 77.
Die Komposition der 1970er besteht somit aus den Versuchen, die Musik aus den Zwängen des Materials zu befreien.

Die radikale Abkehr vom Materialbereich der Komposition seit den 1970er Jahren führt zu einer bis heute zunehmend vielfältigen Musiklandschaft, in der verschiedene Stile nebeneinander koexistieren: »Die neue Einfachheit« von Wolfgang Rihm und Manfred Trojahn, Arvo Pärts Neogregorianik, die Weiterführung des Serialismus bei Brian Ferneyhough, Mauricio Kagels instrumentales Theater, Krzysztof Pendereckis Neoromantik, Steve Reichs und Terry Rileys Minimal Music sowie die Fluxus-Bewegung von La Monte Young und Phillip Corner etc. Außerdem findet sich auch in den Kompositionstechniken die neue Heterogenität, am deutlichsten in den Techniken Zitat, Collage und Montage. Die Komponisten versuchen verschiedene Sprachformen zu mischen und an Elemente früherer Musiksprachen, z. B. an Formen, rhythmische Muster und die Textur früherer Musik anzuknüpfen.

Elmar Budde fasst den seit den 70ern entstandenen kompositorischen Pluralismus als Verlust der Konstruktion von Geschichte auf: Denn die bisher gesicherte Position – wie beispielsweise die »Materialgeschichte« Adornos – setzt die moderne Geschichtsphilosophie und damit den Fortschritt der Geschichte voraus.33

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Budde, E., Der Pluralismus der Moderne und/oder die Postmoderne, in: Kollertisch, O. (Hrsg.), Wiederaneignung und Neubestimmung. Der Fall »Postmoderne« in der Musik, Graz: Steiermärkische Landesdruckerei, 1993, S. 50–62.
Daher basieren die pluralistischen Versuche der Komponisten, der fortschreitenden Tendenz des musikalischen Materials nicht zu folgen, auf der Infragestellung der Geschichtsphilosophie.

Infolgedessen werden die bisher kaum beachteten Komponisten wie beispielsweise Dmitri Schostakowitsch, Francis Poulenc und Eric Satie nun neubewertet. Andererseits findet außereuropäische Musik, z. B. die Musik Afrikas und Asiens, zunehmendes Interesse. Überdies wird auf die Tonalität, die von der durch Adorno geprägten Ästhetik als ahistorisch, funktionslos oder eklektizistisch abgetan wurde, als Material rekurriert. Bemerkbar machen sich seit Beginn der siebziger Jahre in Deutschland jüngere Komponisten wie Wolfgang Rihm, Manfred Trojahn, Hans-


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