- 137 -Schmidt, Patrick L.: Interne Repräsentation musikalischer Strukturen 
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Gedächtnisprozesse im englischen auch als Priming bezeichnet. Denkbar ist, dass während des erstmaligen Vorstellens eine mehr oder weniger unbewusste Repetition des zuvor Gehörten in Form eines inneren Singens stattfindet. Dafür spricht, dass die EMG-Werte beim ersten Vorstellen höher als beim ersten Hören ausfielen. Die erhöhten EMG-Werte beim wiederholten Hören ließen sich dann als eine aktivere Art des Zuhörens interpretieren. Geht man davon aus, dass sich der Kehlkopf umso mehr bewegt, je mehr musikalische Information ins Gedächtnis zurückgerufen werden kann, würde dies auch erklären, warum die EMG-Werte beim wiederholten Vorstellen etwas höher ausfielen. Die Vorstellung des zuvor Gehörten würde sich auch im Sinne einer intervenierenden Variablen auf die Muskelaktivität beim abermaligen Hören auswirken. Im Falle eines solchen »Übeeffektes« wäre bei weiteren Messungen ein umgekehrt U-förmiger Verlauf der Messwerte zu erwarten (Lernkurve). Eine Habituierung würde dann erst nach mehreren weiteren Messwiederholungen auftreten.

16.2.  Klangvorstellung eines »Ohrwurms«

Bezüglich der Kehlkopfaktivitäten bei der klanglichen Vorstellung der selbst gewählten Melodie zeigte sich kein signifikanter Unterschied zu der bei anderen Klangvorstellungsaufgaben. Dennoch wurden hier im Vergleich die absolut höchsten EMG-Werte registriert. Der errechnete Mittelwert fiel um ca. 0,5 μV höher aus als die durchschnittliche elektromyographische Aktivität beim Musikhören. Bei der individuellen Wahl einer Melodie sollten die Probanden darauf achten, dass ihnen deren klangliche Vorstellung aufgrund ihrer großen Vertrautheit mit diesem Musikstück leicht fallen würde. Es ist daher davon auszugehen, dass die gewählten Melodien besonders gut und auf vielschichtige Weise (z. B. auditiv, visuell, emotional) im musikalischen Gedächtnis der Untersuchungsteilnehmer repräsentiert/enkodiert waren. Dies scheint darauf hinzudeuten, dass ein Zusammenhang zwischen der Qualität/Güte (Klarheit, Lebendigkeit, Detailliertheit) der Fähigkeit zur musikalischen Klangvorstellung und den Kehlkopfbewegungen existiert. Es wurde jedoch nicht ermittelt, ob der Vertrautheitsgrad mit dem jeweiligen »Ohrwurm« darauf beruhte, dass die Probanden die Melodien vor der elektromyographischen Messung besonders häufig gesungen oder auf einem Instrument gespielt hatten. Die freie Wahl der Musikstücke brachte es zudem mit sich, dass die Vorstellungsinhalte an sich sowie deren Komplexität nicht miteinander vergleichbar waren. So stellten sich die einen einstimmige Gesangsmelodien vor, andere ließen ein Rock/Pop-Stück in Bandbesetzung im Kopf Revue passieren und wiederum andere repetierten im Geist ein Instrumentalwerk der klassischen Literatur. Die Vorgabe eines für alle verbindlichen Vorstellungsinhaltes hätte zwar die Kontrolle dieser Variablen ermöglicht, wäre aber gleichzeitig dem Hauptkriterium des hohen Vertrautheitsgrades nicht unbedingt zuträglich gewesen.

Bei den bei der Vorstellung der vertrauten Melodie gemessenen EMG-Werten konnte kein signifikanter Unterschied zwischen erster und zweiter Hälfte der einminütigen Messdauer festgestellt werden. Ein Automatisierungs-/Habituationseffekt trat somit auch hier nicht auf. Die Kehlkopfaktivität war sogar in der zweiten


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