- 17 -Schmidt, Patrick L.: Interne Repräsentation musikalischer Strukturen 
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Umfassende Literaturrecherchen in verschiedenen Datenbanken (u. a. PsycINFO und PSYNDEXplus) förderten keine weiteren unmittelbaren Untersuchungen motorischer Prozesse im Stimmapparat bei musikalischen Vorstellungen zu Tage. Hier besteht offensichtlich Forschungsbedarf.

2.2.  Neurophysiologische Erkenntnisse

Auch wenn der Fokus dieser Arbeit auf muskulären Prozessen im Stimmapparat liegt, sollen in diesem Kapitel einige neurophysiologische Studien zur musikalischen Klangvorstellung vorgestellt werden. Dies geschieht aus folgenden Erwägungen. Beim Singen und Sprechen sind – wie in Kapitel 1 beschrieben – bestimmte motorische Gehirnareale, wie z. B. der motorische Kortex; das supplementär motorische Areal (SMA) und das Rolandische Operculum3

3 Der motorische Kortex dient der direkten Bewegungssteuerung, das supplementär motorische Areal der Programmierung der Bewegung; im Rolandischen Operculum befindet sich die Larynxrepräsentation.

aktiviert (vgl. Olthoff 2005; Koelsch & Fritz 2003; Schultz-Coulon 2002; Spitzer 2002; Kerzel & Bekkering 2000; Nakamura et al. 1998; Penfield & Rasmussen 1952). Das supplementär motorische Areal zeigt bei verschiedenen motorischen Aufgaben wie der Sprachproduktion (Petersen et al. 1988, 1989) oder dem Singen (Perry et al. 1999) einen konsistenten Anstieg des zerebralen Blutflusses. Elektrische Stimulationsexperimente bei Patienten während Gehirnoperationen demonstrierten zudem, dass direkte Stimulationen des Kortex in den prä- und postzentralen Gyri, im supplementär motorischen Areal sowie im dorsalen Teil des Sulcus cinguli Lautäußerungen bewirken können (Perry et al. 1999; Penfield & Roberts 1959). Sind dieselben Areale auch bei der Vorstellung musikalischer Klänge aktiv, so könnte dies im Umkehrschluss als Indiz für das Vorhandensein motorischer Prozesse im Stimmapparat gedeutet werden.

In einer Pilotstudie von Helmuth J. Petsche, Astrid von Stein und Oliver Filz (1996) wurden bei einer Cellistin eine gegenüber der Baseline erhöhte Aktivität in motorischen Hirnarealen bei Klangvorstellungsaufgaben mit Hilfe einer EEG-Kohärenzanalyse festgestellt. Die in der Nähe des supplementärmotorischen Areals platzierten Elektroden maßen die höchste Aktivität beim Vorstellen des Spielens von Tonleitern, etwas weniger bei der Klangvorstellung eines auswendig beherrschten Musikwerkes und noch weniger beim Musikhören. In einer fMRT-Studie (funktionelle Magnetresonanztomographie) von Lutz Jäncke et al. (2000) war der zerebrale Blutfluss bei der akustischen Wahrnehmung und anschließender auditiver Vorstellung von Rhythmen motorische Areale der Gehirnrinde (der ventrale prämotorische Kortex (vPMC) beidseits sowie das linke supplementär motorische Areal (SMA) und der linke Thalamus) signifikant gegenüber der visuellen Wahrnehmung und Vorstellung von Rhythmen erhöht. Es zeigten sich jedoch keine Unterschiede zwischen Wahrnehmung und Vorstellung der akustisch dargebotenen Rhythmen. Akustisch präsentierte rhythmische Stimuli aktivieren demnach Motorprogramme stärker als visuelle rhythmische Stimuli. Eine fMRT-Studie von Arno Olthoff (2005), in der die Versuchspersonen u. a. gebeten wurden, zu singen, intonationsfrei zu phonieren oder Musik zu hören, zeigte ebenfalls in allen drei Bedingungen


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