- 49 -Schmidt, Patrick L.: Interne Repräsentation musikalischer Strukturen 
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die Gedächtnisleistung war bei visuell dargebotenen ähnlich klingenden oder mehrsilbigen Items genauso schlecht wie bei kurzen Items mit unterschiedlichem Klang (Barlow 1928; Murray 1968; Baddeley et al. 1975; Besner & Davelaar 1982; Besner 1987).

Auch das Erkennen, ob visuell präsentierte Wörter im Auslaut gleich klingen (»sich reimen«) wird offensichtlich durch artikulatorische Interferenz negativ beeinflusst (Kleiman 1975; Barron & Baron 1977; Besner et al. 1981, Experiment 3; Johnston & McDermott 1986, Experimente 1, 2, 3 und 4; Wilding & White 1985, Experimente 1, 2 und 3).

Die Blockierung der Subvokalisation beeinträchtigte in einigen Studien die klangliche Dechiffrierung von Zeichenfolgen (Smith et al. 1992; 1995) sowie das Textverständnis (Hardyck & Petrinovitch 1970; Sokolov 1972; Kleiman 1975; Slowiaczek & Clifton 1980; Baddeley & Lewis 1981). A. N. Sokolov (1972, S. 102ff.) spricht sogar von einer »augenblicklichen Amnesie« hinsichtlich des Merkens und Wiedergebens gehörter Texte bzw. vergleicht den dabei entstehenden Effekt mit dem, beim Krankheitsbild der sensorischer Aphasie auftretenden Nichtverstehen gehörter Wörter. In mehreren Studien wurde z. B. ein Aufsperren des Mundes bzw. Summen und/oder Gurgeln mit dem Verschwinden von schizophrenen oder hypnotisch induzierten Halluzinationen in Zusammenhang gebracht (L. Gould 1948; 1949; 1950; Erickson & Gustafson 1968; Bick & Kinsbourne 1986; Evenson 1987). All diese Studien deuten darauf hin, dass motorische Prozesse eine Bedeutung für kognitive Leistungen haben.

In vielen anderen sprachbezogenen Studien zeigte sich dagegen kein artikulatorischer Interferenzeffekt (z. B. Hardyck et al. 1966; McGuigan 1967; Murray 1968; Baddeley et al. 1975; Baddeley & Lewis 1981; Besner et al. 1981, Experiment 6; Mitterer 1982; Baddeley et al. 1984; Davelaar et al. 1987). Gegen eine Bedeutung von Kehlkopfbewegungen für kognitive Prozesse allgemein wird von Sprachwissenschaftlern zudem folgendes Argument vorgebracht: Sprachbeeinträchtigte (dysarthrische) oder von Geburt an stumme (anarthrische) Patienten, deren periphere Kontrolle der artikulatorischen Muskulatur aufgrund einer Hirnschädigung beeinträchtigt oder unmöglich ist, zeigen im Vergleich mit gesunden Probanden in einer großen Vielzahl von Gedächtnisaufgaben, die »innere Sprache« bzw. Rehearsal involvieren eine im Grunde genommen normale Leistung (Baddeley & Wilson 1985; Bishop & Robson 1989; MacKay 1992). Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass auch bei Gesunden ein Feedback von der peripheren Muskulatur des Stimmapparates für Bewusstseinsinhalte prinzipiell irrelevant ist bzw. dass Klangvorstellung auf einem rein phonologischen Code basiert (z. B. Baddeley 1990; Baddeley & Logie 1992). Wahrscheinlich spielen bei sprachbezogenen Vorstellungsinhalten von anarthrischen Patienten aufgrund der Taubstummensprache Arm- und Fingerbewegungen sowie die Gesichtsmimik eine wesentlich wichtigere Rolle.

Eine exakte Bestimmung der Funktion motorischer Prozesse bei Klangvorstellungen würde voraussetzen, auch kleinste Bewegungen der entsprechenden Muskulatur zu unterbinden. Im Falle des Kehlkopfs als Quelle der Stimmgebung wäre dies aufgrund seiner primären Aufgabe des Schutzes der Atemwege nicht gesundheitsförderlich. Zweifel an der Spezifität und Effizienz der in den referierten Studien verwendeten Interferenzmethoden sind somit durchaus angebracht. Der Versuch einer hemmenden


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