- 139 -Sonntag, Brunhilde (Hrsg.): Adorno in seinen musikalischen Schriften 
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Brunhilde Sonntag


Adornos Webern-Kritik


"Solange Anton von Webern lebte und solange nicht der faschistische Terror seine Musik in eine Verborgenheit trieb, nach der sie freilich von sich aus zu verlangen schien, war er dem öffentlichen Bewußtsein entweder ein Schreck oder eine Spezialität. Ein Schreck wegen der Kürze der meisten seiner Kompositionen, die den Hörer ins Schweigen entließen, ehe er sie nur recht wahrzunehmen vermochte, und wegen ihrer auch qualitativ aphoristischen Faktur; sie versagte ihm jenes Geleit durch sinnfällig ausgesponnene Zusammenhänge, wie Berg und selbst das meiste von Schönberg es immerhin gewähren. Als Spezialität: weil in seinem oeuvre ein gleichsam isoliert ausgewählter Aspekt der Musik seines Lehrers Schönberg, der äußerster Konzentration, alles beherrscht, bis ins Extrem des Extremen entwickelt mit einer Hartnäckigkeit, die man gern dem Schülerverhältnis zurechnete". 1)


Der Schreck über Weberns Musik gilt heute als längst überwunden; die Kürze der meisten seiner Stücke wird als Spezialität geschätzt. Dem Gedanken der Spezialität möchte ich gern nachhängen: Die `Kontraktion zu Kurzformen' (Adorno in `Klangfiguren') bedeutet eine Konzentration, eine Verdichtung der musikalischen Aussage - unter Weglassung jeglichen Ornaments -, zu einem Gebilde, das Anlaß war zu Adornos negativer Beurteilung Webernscher Musik. Es ist ein Gebilde, das ich unter dem Aspekt des `musikalischen Gedankens' (Webern), dem der `Idee' oder `Monade' in der Begrifflichkeit W. Benjamins - angelehnt an den Leibniz' - und dem der `Monade', den auch Adorno verwendet, betrachten möchte. Bevor dieser Gedanke kunstphilosophisch nachvollzogen werden kann, ist es notwendig, einigen Phänomenen in Weberns Musik nachzugehen, in denen sich der genannte Konzentrationsprozeß widerspiegelt.


Solche Erscheinungen in Weberns Musik sind:


1) Struktur der Figuren und Reihen


Webern hat die Anwendung der Zwölftontechnik sehr viel extremer gehandhabt als sein Lehrer Schönberg. "Schönberg vergewaltigt die Reihe", schreibt Adorno in der Ph.d.N.M., "er komponiert Zwölftonmusik, als ob es keine Zwölftontechnik gäbe." Webern dagegen konzipiert die Reihen so, daß "diese virtuell selber komponieren". D.h. er stattet diese mit einem derart hohen Grad an Beziehungsreichtum aus, daß mit ihr schon die musikalischen Zusammenhänge des ganzen Stückes vorgegeben sind.


Bsp.

     a) symmetrische Reihenbildungen in op. 21 und op. 28 (op. 17 - 20 haben noch keine durchorganisierten Reihen).

     b) asymmetrische Reihenbildung in op. 27


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