- 181 -Sonntag, Brunhilde (Hrsg.): Adorno in seinen musikalischen Schriften 
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      Walter Gieseler


      Orientierung am musikalischen Kunstwerk

oder: Musik als Ernstfall

(Adornos Thesen gegen "musikpädagogische" Musik - eine Diskussion mit weitreichenden Folgen)


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Dieser Beitrag wurde gekürzt auf dem Symposion vorgetragen. Der vollständige Text erschien unter dem gleichen Titel im neuen "Handbuch der Musikpädagogik", Band I, (Hrsg. H. Chr. Schmidt) im Herbst 1986 beim Bärenreiter-Verlag. Deshalb wird hier nur eine kurze Zusammenfassung des Textes gegeben.

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"Die Kritik des Musikanten" von Adorno ist zwar erst 1954 erschienen, aber schon in einem Aufsatz von 1932 vorgebildet. Insofern kam es darauf an, in den Vortrag die musikpädagogischen Tendenzen der 20er Jahre mit einzubeziehen. Jödes Jugendmusikbewegung stand in einer gewissen Weise gegen Hermann Kretzschmars und August Halms Bestrebungen, Musik in ihrer Fülle in den Musikunterricht zu bringen. Ihr Interesse war (wenn auch volkserzieherisch getönt) Musik selber. Jödes Leitlinien waren hingegen "Erlebnis" und "Gemeinschaft" als diffuse ideologische Vokabeln. Trotz aller Musikzentriertheit hat die Reform Kestenbergs sich von den gleichen Vokabeln einfangen lassen. Jödes Wort, Musik solle weniger "gewußt und gekonnt", sondern "leben und gelebt werden", zeigt diesen Trend in aller Deutlichkeit. Es hat den Musikunterricht viele Jahre hindurch bestimmt, es ging, ohne Abwehrkräfte gegen den NS-Totalitarismus entwickeln zu können, bruchlos in die 12 Jahre Nazi-Herrschaft ein. Die Vereinnahmung war 1934 schon vollkommen. Die Stunde Null im Jahre 1945 gab es nicht. Man knüpfte an die vermeintlich "unterbrochene" Kestenbergreform wieder an, machte in Wirklichkeit aber nur "weiter", wo man ein oder zwei Jahre vorher aufgehört hatte. Jödes Schrift von 1954 (Vom Wesen und Werden der Jugendmusik) nimmt Tendenzen von 1920, 1932 und 1933 unverändert wieder auf, die NS-Jahre verharmlosend. Man propagiert ein eigenes Reich von Jugend- und Gebrauchsmusik, hält sich fern von der Musik der Gegenwart und versinkt in Irrationalismus. Das Wort "musisch" versammelt nunmehr alles, was als konservativ, zivilisationsfeindlich, irrational, pseudo-religiös und anti-technisch eingestuft werden kann. Otto Haases "Musisches Leben" (1951) und Georg Götschs "Musische Bildung" (2/1953) sind Zeugnis dafür. Es gibt wenig Kritik von innen; die wichtigsten Kritiker sind Felix Messerschmid (1954) und Wilhelm Kamlah (1955).


Die Sprecher des Schulmusikverbandes (vor allem Egon Kraus auf den Bundesschulmusikwochen 1955, 1957, 1959 und 1961) fahren von Anfang an voller Überzeugung auf dem musischen Zug mit. "Alle musische Erziehung richtet sich notwendig (sic!) gegen die Strömungen unserer Zeit" (so Kraus noch 1959).


In diese musisch-heile Landschaft bricht der Generalangriff


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