- 182 -Sonntag, Brunhilde (Hrsg.): Adorno in seinen musikalischen Schriften 
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Adornos auf die musische Bewegung ab 1952 als reinigendes Gewitter herein. Die "Thesen gegen die musikpädagogische Musik" (1954) und die "Kritik des Musikanten" (1956) sind es vor allem, die die gängigen Vokabeln "Lebenshilfe, Gemeinschaft, musisches Tun" als kunstfremden Überwurf abtun; Adorno geht es um Musik als "Ernstfall". Er bezeichnet das Sonderreich von Jugend- und Gemeinschaftsmusik als "unwahre Musik", gemessen an den Kunstströmungen der Gegenwart; er wendet sich gegen den pseudoreligiösen Heilsbringerton musischer Messiasse, gegen die musikpädagogische Reduktion von Musik und vor allem gegen die Liedideologie. Dazu gab es Gegenthesen von Wilhelm Keller, Wilhelm Twittenhoff und Siegfried Borris: hier wurde "Junge Musik" (was das auch immer bedeuten mag) ausgespielt gegen Schönberg und seine Schule. Dagegen hält Adorno mit seiner Kernthese: "Der Kurzschluß der Jugendbewegung ist es, daß Musik ihr humanes Ziel nicht in sich selbst habe, sondern in ihrer pädagogischen, kultischen, kollektiven Verwendbarkeit" ("Kritik des Musikanten"). Die schwachen Repliken konnten aber an Adornos Intellektualität nicht heranreichen.


Theodor Warner mit "Musik zwischen Kult und Kunst" (1954) war endlich ein ebenbürtiger Gesprächspartner, vor allem aber Erich Doflein.


Ab 1963 werden Adornos Gedanken immer mehr von den jüngeren Vertretern der Musikpädagogik rezipiert. Jetzt zeigt sich, wie sehr die Kritik Adornos das musische Weltbild erschüttert hatte und schließlich zum Einsturz brachte. Wichtig wurden Texte wie von Segler/Abraham "Musik als Schulfach" (1966), von Michael Alt "Didaktik der Musik" (1968), von Heinz Antholz "Unterricht in Musik"; auch Aufsätze von Ulrich Günther, "Zur Bedeutung des Instruments in Musikerziehung und Musikuntrricht" (1964), "Die Sprache in der Musikerziehung" (1965), auch ein Beitrag von Gieseler "Musische Ideologie und politische Bildung" (1965).


Adornos Gedanken wirkten hinein in die Neukonzeption von Musikbüchern für die Schule (ab 1970 in verstärktem Maße): u.a. seien erwähnt "Musik aktuell" (1971) und "Sequenzen" (1972).


Gleichzeitig ist ein Einfluß Adornos, verstärkt durch die Curriculumreform nach Robinsohn, auf Curricula und Richtlinien zu registrieren.


Die musikpädagogische Forschung wird ebenfalls von Adorno mitangestoßen, komparative Musikpädagogik bricht sich Bahn; Lied und Singen verlieren ihre alles beherrschende Rolle im Unterricht, sie werden integriert in ein Gesamtbild von Arbeitsfeldern wie Hören, Formenlehre, Musikgeschichte, alte und neue Musik, außereuropäische Musik, Jazz und Rockmusik.


Mißverständnisse Adornoscher Gedanken und Absichten blieben nicht aus. Adorno konnte die Fernwirkung seiner Gedankenanstöße nicht mehr erleben, er starb am 6. August 1969. Jedoch ist die Geschichte seines Einflusses auf die Musikpädagogik noch längst nicht zu Ende.


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