- 74 -Sonntag, Brunhilde (Hrsg.): Adorno in seinen musikalischen Schriften 
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ten sie dazu, Adornos Musikphilosophie insgesamt in schiefes Licht zu rücken, wie andererseits manche Musikschreibende heute noch ungetrübt und unverstimmt von der gedanklichen und sprachlichen Substanz der Adornoschen Polemik leben.


Adorno selbst sah sich in seinen Äußerungen über Strawinsky Mißverständnissen ausgesetzt. Vor allem in bezug auf die entsprechenden Passagen in der "Philosophie der Neuen Musik", und er wünschte sich, daß dieser Teil "ebenso sorgfältig gelesen (werden möge, R.S.) wie der über Schönberg". 1) Aber nicht nur die Vermeidung von Mißverständnissen vermag eine genaue und umfassende Bestandsaufnahme der Strawinsky-Äußerungen Adornos zu vermitteln, sondern vor allem, unbeschadet aller historischen Relativierung, eine Fülle an musikalischen Erfahrungen und Einsichten, die faszinierend sind. Deshalb ist es auch nicht erstaunlich, daß er der Auseinandersetzung mit Strawinsky immer noch Impulse zu geben vermag und daß sie weitgehend in Abhängigkeit von Adornos Einsichten ihre analytischen Konzepte entwickelt und verfolgt. Adorno gegen seine Kritiker und Liebhaber zu verteidigen, ist eine zeitgemäße Aufgabe.


Adorno hat sich über Strawinsky sehr oft geäußert. Es lassen sich in fast allen seinen Schriften über Musik entsprechende Belegstellen finden. Nachdem nun die frühen Konzertkritiken Adornos in seinen gesammelten Werken (Bd. 19) zugänglich sind, lassen sich drei große Strawinsky-Komplexe erkennen: 1. Eben jene frühen Opern- und Konzertkritiken, die eine Wiederspiegelung lebendiger, unmittelbarer Musikerfahrung Adornos darstellen. 2. Die "Philosophie der Neuen Musik", das philosophische Lehrstück Adornos und 3. der Aufsatz "Strawinsky. Ein dialektisches Bild" in "Quasi una fantasia, ein kompensatorischer Versuch".


Ortsbeschreibungen


In den frühen "Frankfurter Opern- und Konzertkritiken" aus den Jahren 1922 bis 1934, finden sich schon viele kritische Motive, die später in Adornos Strawinsky-Interpretationen dominieren werden, aber auch eine Fülle von vorkritischen, unmittelbaren, musikalischen Erfahrungen, die Adorno mit Aufführungen Strawinskyscher Werke in jenem Zeitraum gemacht hat. Ohne diese Sammlung vorkritischer Gelegenheitsschriften überbewerten zu wollen, kann man sie als hilfreiche Ergänzung der kritischen Schriften heranziehen, die wichtige Hinweise auf Adornos unmittelbare musikalische Erfahrungen geben. Seine Eindrücke von Strawinskys Musik und natürlich auch der anderer Komponisten sind hier noch nicht in die dialektischen Irrungen und Wirrungen eingespannt, wie dies in späteren Schriften zu beobachten und zu kritisieren ist. Diese Opern- und Konzertkritiken sind in dieser Hinsicht eine Parallele zu seinem späten Radiovortrag aus dem Jahre 1965 mit dem für Adorno bemerkenswerten Titel "Schöne Stellen", der ebenfalls Einblicke in Adornos musikalischen Privatbesitz zuläßt.


Die Betroffenheit durch Strawinskys Musik ist aus vielen Kritiken trotz ihres Protokollcharakters herauszulesen. Adorno bescheinigt Werken wie Pulcinella, dem Oktett und natürlich dem Sacre, daß sie Substanzen haben, daß sie Meisterwerke buw. von außerordentlicher Qualität sind.


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