- 58 -Weyde, Tillman: Lern- und wissensbasierte Analyse von Rhythmen 
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sich durch Chomskys Syntaxtheorie inspiriert, ein Forschungsprogramm zu entwerfen, das die »psychologische Realität« der von Chomsky beschriebenen Methode der Erzeugung von Sprache nachweisen sollte, denn seit der Lektüre von Chomskys »Strukturen der Syntax« glaube er wieder an die Realität des menschlichen Geistes, die durch die dominierenden Konditionierungs- und Assoziationstheorien negiert worden sei.4

Kognitive Theorien eröffnen die Perspektive einer gemeinsamen Basis von Musiktheorie und Musikpsychologie, die zusammen ein vollständigeres Bild der Prozesse der Rezeption und Produktion von Musik ergeben könnten. Die Musiktheorie erhielte eine wissenschaftlich fundierte Grundlage und die Musikpsychologie würde deutlich erweitert werden, da nicht nur die elementaren Mechanismen der Wahrnehmung untersucht würden.

Die kognitive Modellbildung hat zu einer Vielzahl neuer Ansätze im musikalischen Bereich geführt, wobei zunächst die Anwendung von Grammatiken dominierte. Hier wurde vor allem in Nordamerika eine Parallele zu der Musiktheorie Heinrich Schenkers und ihrer hierarchischen Reduktion der Musik auf den sogenannten Ursatz gezogen.5

Grammatiken sind jedoch nur bedingt geeignet, um musikalische Strukturen zu modellieren. Es ist fraglich, inwieweit die Regeln und Ableitungsstrukturen einer Grammatik den tatsächlichen kognitiven Strukturen beim Hören oder Spielen von Musik entsprechen. Insbesondere ist unklar, ob und inwieweit sich die von Chomsky beschriebenen Strukturen der Sprache auf Musik übertragen lassen. Das Parsing melodischer oder harmonischer Strukturen reicht nicht aus, um den Gestaltaspekt von Musik zu beschreiben, daher wurde auch mit anderen Modellen experimentiert.

Speziell für die Analyse von Rhythmen und Melodien wurden grammatikbasierte und andere Theorien und Methoden entwickelt und erprobt, die in diesem und, soweit sie computerbasiert sind, im übernächsten Kapitel beschrieben werden. Es wurde versucht, Verarbeitungsmuster und Theorien kognitiver Strukturen von Musik zu bestimmen. Ein allgemein anerkanntes, formalisierbares oder implementierbares Modell hat sich aber bisher nicht herauskristallisiert. Ein wesentliches Problem ist, daß die Formenlehre, die Metrik, die Rhythmik und die Wahrnehmungsforschung ihre Begriffe und ihre Inhalte bisher nicht in eine gemeinsame Theorie einbetten konnten.

4.1.1.  Musik und Sprache

Die Beziehung von Musik und Sprache beschäftigt die Menschen seit langem. Die Analogiebildung zwischen Musik und Sprache zeigt sich immer wieder in Begriffen wie Tonsprache, Grammatik oder Syntax der Musik, musikalischer Satz oder Phrase. Die Verbindung von musikalischer Struktur und Grammatik hatte bereits Riemann in seiner »Musikalischen Syntaxis«6

hergestellt.


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