Cooper und Meyer gehen davon aus, daß es in einer Gruppe (d.h. einem Versfuß)
immer eine
akzentuierte Note gibt, die bei ihnen als metrisch betonte Note definiert ist.
Eine akzentuierte Note kann es allerdings nach Cooper und Meyer auch geben,
ohne daß eine metrische Organisation der Akzente vorliegt. Akzent wird als
erfahrene metrische Betonung definiert, in die viele Faktoren eingehen, u.a. Dauer,
Intensität, melodische Kontur und Regelmäßigkeit. Keiner dieser Faktoren sei aber
bestimmend und die Gewichtung und Interaktion sei bisher nicht zu klären. Außerdem
wird der Begriff
Betonung (engl. stress) definiert, der eine Hervorhebung durch
Intensität beschreibt, aber keinerlei metrische Auswirkungen haben soll. Diese
widersprüchliche Begriffsbildung ist die Folge einer nicht konsequenten Trennung der
verschiedenen Realitätsebenen von Musik. Wenn Cooper und Meyer sagen, daß
Betonung durch Intensität die Akzentuierung nicht ändere, steht dies einerseits im
Widerspruch zu ihrer eigenen Definition des metrischen Akzents, denn hier wird
Intensität als Faktor aufgeführt, und auch zu der sachlichen Überlegung, daß
gerade die Lautstärke ein Mittel der Darstellung metrischer Betonungen ist. Man
kann ohne sonstige Veränderungen, nur durch Änderung der Lautstärke, die
metrische Interpretation einer Notensequenz ändern, wie bereits Woodrow gezeigt
hat.
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Es ist also wenig plausibel plausibel anzunehmen, daß Intensität keinen Einfluß auf die
metrische Struktur hat, da dies bekannten musikpraktischen und musikpsychologischen
Erkenntnissen widerspricht. Möglicherweise gemeint ist, daß ein Intensitätsakzent die
metrische Interpretation nicht ändert, wenn ansonsten eine hinreichend stabile metrische
Struktur beim Hörer etabliert ist, was die ursprüngliche Aussage stark einschränken
würde. Die Bedingungen der zeitlichen Anordnung von Akzenten oder Betonungen, die
zu metrischer Interpretation führen, sind bei Cooper und Meyer nicht klar definiert, und
ihre Interaktion ist nicht geklärt.
Trotz dieser Schwächen des begrifflichen Rahmens berücksichtigt das System von
Cooper und Meyer in bis dahin für musikalische Theorien ungewöhnlich vollständiger
Weise Phänomene der musikalischen Wahrnehmung und ist dabei vergleichsweise klar
aufgebaut. Sie erläutern anhand von Beispielen Faktoren der Gruppierung auf
verschiedenen Ebenen, wenn auch nicht genau beschrieben wird, wie diese Faktoren sich
auf die Strukturierung auswirken. Für die unterste Ebene, die hier von besonderem
Interesse ist, werden folgende Punkte genannt:
- zeitliche Nähe
- tonliche Nähe
- Harmonik
- Leitton-Effekte
- Wiederholung
- de-/crescendo
- steigende/fallende Linien