- 30 -Wollermann, Tobias: Musik und Medium 
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genannt, handelt es sich um ein Hochdruckverfahren (vgl. Abschnitt 2.4), bei dem die nicht druckenden Bereiche aus einer Lindenholztafel geschält wurden, so dass die druckenden Bereiche hervorstanden. Zum Drucken der Notenlinien und Noten in nur einem Druckvorgang eignete sich das Verfahren aber weniger, da der erforderliche Aufwand in keinem Verhältnis zum erzielten Resultat stand, da man doch alle Noten- und Linienzwischenräume feinsäuberlich herausschälen musste. Es konnte leicht passieren, dass ein Notenhals oder eine feine Notenlinie abbrach und die ganze Arbeit umsonst war. Außerdem waren Fehler in der Druckvorlage in der Regel nicht zu beheben und erforderten ebenfalls eine vollständige Wiederholung der Arbeit. Neben den technischen Problemen war des Weiteren der ästhetische Anspruch, den die Schreiber mit ihren sauberen Handschriften gesetzt hatten, kaum durch den Holztafeldruck zu erfüllen. Von daher wurde der Holztafeldruck meist nur für kurze Notenbeispiele in theoretischen Werken eingesetzt.2
2[Gieseking(2001b), S. 343].
Dort erwies er sich für die Druckereien rentabler als der im nächsten Abschnitt erwähnte Typendruck.

Neben dem Gebrauch von Holz, versuchte man in der Inkunabelzeit gleichzeitig Metall als Material für die Druckvorlage zu benutzen. Des Weiteren wurde auch probiert, Choralnoten ohne Linien mit beweglichen Metalltypen zu drucken. Bei dem ›Collectorium super Magnificat‹, welches 1473 von Konrad Fyner gedruckt wurde, handelt es sich um das älteste, datierbare Beispiel eines linienlosen Druckes von Quadratnoten mit beweglichen Typen.3

Einige Notendrucker im 15. Jahrhundert stellten ihre Drucktypen selbst her. So auch der Drucker Steffen Arndes, dem man die Notentype zugeschrieben hat, mit der die komplizierten Neumen des ›Graduale Arosiense‹ (Lübeck 1493)4 gedruckt wurden. Arndes soll, nachdem er 1477 in Perugia das Stempelschneiden und Matritzenjustieren erlernt hatte, ein Typenguss-Handbuch verfasst haben.

Anhand der Tatsache, dass zumeist entweder nur Noten oder nur Notenlinien gedruckt wurden, lässt sich zugleich das Hauptproblem der Drucker erkennen. Chrysander formuliert es folgendermaßen: »Die ganze Schwierigkeit liegt in einem einzigen Punkte, in der Durchschneidung horizontaler und verticaler Linien.«5

5[Chrysander(1879), Sp. 163].
Gleichgültig, ob man mit Holz- oder Metalltafeln druckte, die größte Schwierigkeit stellte die synchrone Ausrichtung von Linien und Noten sowie deren variable horizontale und vertikale Platzierung dar.

In den 1480er Jahren war Basel noch das Zentrum des Notendruckes. Dies änderte sich aber im letzten Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts. 1482 begann Ottaviano Scottos (d.Ä.) mit dem Druck eines römischen Quart-Missales. Die Herstellung liturgischer Bücher für den Kirchenstaat entwickelte sich so erfolgreich weiter, dass Venedig zum internationalen Zentrum des Notendrucks, ja sogar des Drucks allgemein aufstieg. Fast ein Drittel der 80 italienischen Ausgaben des ›Missale Romanum‹ wurden allein in Venedig gedruckt. In Frankreich ist vor allem die Werkstatt Johann Higmans in Paris zu erwähnen. Er druckte ab 1489 zahlreiche Missalien u. a. für Angers, Bourges, Chartres, Liège, Paris und Rennes. Hier verwendete er eine römische Choralnotentype mit rundem Kopf ohne Stil. Für den Export nach


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