Die beiden mit einem Akzent versehenen Akkorde von T. 88 werden von allen fünf
Interpreten deutlich langsamer als ihr Umfeld gespielt. Wie schon in der harmonischen
Analyse betont (siehe S. 156), stimmt diese Stelle mit dem letzten Auftreten der
Dominante überein, die mit der Schlusskadenz auf die Tonika aufgelöst wird (Abbildung
5.5). Es ist daher nicht weiter verwunderlich, dass der Notentext an einer solch kritischen
Stelle stark gestaltet wird.
Was das Ende des Stückes betrifft (T. 93–95), so sind sich die fünf Pianisten einig darin, das Tempo zu verlangsamen. Doch die Art und Weise, wie dies gestaltet wird, ist bei jedem anders. Ein wichtiges Merkmal der Performances von Sokolov, Fialkowska und Lortie ist der deutliche agogische Schnitt zwischen den T. 93 und 94, wenn auch diese beiden Takte von Chopin unter ein- und demselben Bindebogen zusammengefasst wurden. Drei Interpretationen des Notentextes könnten – ob nun einzeln oder mit den anderen gepaart – dafür verantwortlich sein:
Die Tonleiter in kleinen Noten von T. 95 wird wie erwartet von allen Pianisten sehr schnell gespielt. Da die Tempoverhältnisse in den zwei vorigen Takten sehr wechselhaft sind, ist es unmöglich, mit Genauigkeit festzustellen, wie lang die ganze Note von T. 95 verhältnismäßig zu den zuvor gehörten halben Noten tatsächlich dauert, bzw. wann genau die Viertelnote des letzten Taktes gespielt wird. Es ist eindeutig, dass die ›musikalische Zeit‹ hier absoluten Vorrang hat und die Konzepte von Puls und Tempo in den Hintergrund gestellt werden. Die einzige genaue Aussage, die man von einer Analyse der fünf Performances machen kann ist, dass Fialkowska und Lortie sofort nach dem Anschlag des Akkordes mit der Tonleiter |