- 90 -Wollermann, Tobias: Zur Musik in der "Drei Farben"-Trilogie von Krzysztof Kieslowski 
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Segment

Handlung

Melodie







1

Koffer auf dem Fließband

vereinzelte Töne des Themas A(dm)




2

Karol im Gericht; Erinnerung an die Hochzeit

A(dm): T.1–21




7

Karol und Dominique im Salon; K. streichelt D.’s Wange

A(fm): T.1–12




10–11

Karol erzählt Mikolaj von Dominique und zeigt ihm das Fenster

A’(gm): T.1–31




15

Koffer auf dem Fließband

A(dm) leicht verändert




36–37

Karol beim Bauern; kämmt sich die Haare; zeichnet Land in Karte ein; geht in die Telefonzelle, um Mikolaj anzurufen

A(dm): T.1–12




39–40

K. spielt mit Münze; Erinnerung an Dominique; auf dem Weg zum vereinbarten Treffpunkt in der U-Bahn

Elemente aus A (Spannungssteigerung)




54–55

Karol träumt von Dominique und ruft sie an; sie legt auf; Büste; K. beim Notar

A’(gm): T.1–12




61–62

Karol beobachtet wie Dominique bei seiner Beerdigung weint

A(dm) leicht verändert




67–69

Dominique erinnert sich an die Hochzeit; Karol bei seinem Bruder mit Kamm vor dem Mund, er erinnert sich ebenfalls an die Hochzeit

A(dm) leicht verändert




72–73

Karol im Innenhof des Gefängnisses; sieht Dominique mit Opernglas in ihrer Zelle; sie symbolisiert ihm, dass sie ihn noch mal heiraten möchte; Karol weint und lächelt

A’(gm): T.1–27 (+2 extra Phrasen)





Tabelle 4.12: Übersicht zur Verwendung der melancholischen Melodie

Diese Melodie wird an verschiedenen Stellen leicht variiert, manchmal transponiert oder von unterschiedlichen Instrumenten gespielt. Dabei handelt es sich aber immer um Holzbläser (Klarinette, Oboe, Flöte und Fagott) die an manchen Stellen auch von einer Gitarre oder einem Klavier begleitet werden. Unterschieden wird hier zwischen der Originalmelodie (Thema A; vgl. Abbildung 4.12), die im Segment 2 zum ersten Mal erklingt, als Karol sich an die Hochzeit erinnert und dem Thema A’ (vgl. Abbildung 4.18), das im Vergleich zu Thema A leicht verändert wurde. Die ersten 12 Takte des Themas A werden noch an zwei weiteren Stellen im Film verwendet. So erklingen sie z.B., ohne den ersten Fermatentakt, nach f-moll transponiert im Segment 7 von der Oboe. Dominique entdeckt Karol morgens im Salon, und die beiden kommen sich zärtlich näher. Die Oboe setzt in diesem Segment ein, als Karol Dominiques Haar anfasst und ihre Wange streichelt, und endet, nachdem er ihre Hand zwischen seine Beine geführt hat. In den Takten 3–7 erklingt noch ein von einer Klarinette gespieltes f, was besonders zum g’97

97 Der Leser sei darauf hingewiesen, dass die Melodie in Abbildung 4.12 von d-moll nach f-moll transponiert werden muss.
im Takt 6 und 7 dissonant wirkt. In den Takten 8–12 wird die Oboe noch von einer Querflöte begleitet. Diese spielt in Takt 8 ein f’, welches aber in Takt 9 zum g’ aufgelöst wird. In Takt 11 und 12 begleitet die Querflöte die Oboe in Terzen und die Melodie endet, anders als im Original, auf der Dominate. Der abrupte Abbruch der Musik erzeugt an dieser Stelle Spannung und der Zuschauer fragt sich, ob Karol seine Potenz wieder erlangt hat.

Obwohl die Musik nur sehr leise im Vergleich zu den Originalgeräuschen eingesetzt wird, ist sie doch, vor allem da dieser Stelle kein Dialog zugrunde liegt, sehr dominant, und ihr Ende fällt deshalb umso mehr auf. Des Weiteren wird die Musik im Segment 36 verwendet, diesmal wieder in der Originaltonart d-moll. Als Karol sich die Haare kämmt und sich dabei in der Glasscheibe eines Bildes spiegelt, erklingt der erste Fermatentakt. Genau auf den Einsatz der Klarinette in Takt 2 folgt der Schnitt zur nächsten Einstellung, in der Karol beim Einzeichnen seines neu erworbenen Landes in eine Karte zu sehen ist. Dazu erklingen die Takte 2–10 des Themas A. Hier stellt sich die Frage, warum an dieser Stelle nicht das Tango-Thema gewählt wurde. Schließlich wird dies auch, nach Meinung des Verfassers passend, in Segment 43 verwendet (vgl. Seite 184), in dem Karol ebenfalls sein Land auf einer Karte betrachtet und einzeichnet.98

98 Die Verwendung der melancholischen Melodie könnte eventuell mit der Einstellung 278 begründet werden. In dieser spiegelt sich Karol in einem Bild, das zwei Frauen, eine davon scheint eine Königin zu sein, darstellt. Ob dieses Bild ihn vielleicht an Dominique erinnert, und so den Einsatz der melancholischen Melodie begründet, bleibt aber eine vage Vermutung.
Nun folgt der direkte Schnitt zur nächsten Sequenz. Die letzten zwei Takte, auch diesmal in Takt 12 auf der Dominante endend, begleiten Karols Weg in die Telefonzelle. Wenn auch nicht ganz zu klären ist, warum an dieser Stelle die melancholische Melodie verwendet wird, bleibt doch festzuhalten, dass die Musik hier zumindest syntaktische Funktionen erfüllt.

In der leicht veränderten Melodie, die ebenfalls in d-moll erklingt, werden die Harmonien etwas mehr »ausgespielt« als in der Originalversion. So stehen z.B. anstelle der beiden Viertel gis’ (Takt 3 und 6) die beiden Achtel gis’ und f’ und der Abschluss des d-moll-Teils in Takt 12 endet mit einem e’ auf der Dominante A-Dur.


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